Antonio Pezzotta

Ich wurde in Bergamo, Norditalien, geboren und trat 1946, im Alter von elf Jahren, in ein römisch-katholisches Seminar ein. Seit meiner Kindheit hatte ich nur einen Wunsch: Missionspriester zu werden. Nach theologischen Studien in England, Deutschland und Spanien wurde ich 1961 in Rom von Kardinal Maurilio Fossati zum Priester geweiht. Unmittelbar danach zog ich in die Philippinen, wo ich in römisch-katholischen Seminaren Theologie unterrichtete.

Während meiner Zeit in England hatte ich zum ersten Mal ernsthafte Zweifel in bezug auf gewisse Lehren meiner Kirche bekommen, weil ich diese nur schwer mit der Bibel in Einklang bringen konnte. Diese Zweifel beunruhigten mich auch noch nach meiner Ordination, aber ich versuchte, sie zu verdrängen, indem ich mich in meine Aufgaben als Lehrer stürzte. Mein Zeitplan war so dicht gefüllt, dass wenig Zeit für das persönliche Studium und Gebet übrigblieb.

Zehn Jahre lang übte ich diese anstrengende Arbeit aus, doch dann musste ich für ein Jahr der Erholung nach Italien zurückkehren. Nun kamen meine Zweifel wieder auf und es kamen noch neue hinzu. Gleichzeitig wuchs meine Entschlossenheit, zufriedenstellende Lösungen zu den Lehrfragen zu finden, die meinen Geist beunruhigten. Pausenlos sass ich hinter den Büchern und durchdachte gründlich, was unsere grossen Theologen geschrieben hatten, aber meine Zweifel blieben alle bestehen.

Hilfe aus dem Buch der Bücher

Als ich in die Philippinen zurückkehrte, legte ich alle meine theologischen Bücher beiseite und beschloss, meine ganze Aufmerksamkeit einem einzigen Buch zu widmen: der Bibel, und darin speziell dem Neuen Testament. Das Wort Gottes wurde zu meiner einzigen Quelle, aus der ich die Weisheit zum Predigen, Lehren, Nachdenken und Lesen schöpfte. Schon nach einer relativ kurzen Zeit begann meine Unruhe zu verschwinden, denn durch das Studium der Heiligen Schrift wurde eine Unklarheit nach der andern gelöst.

Das Leiden beginnt

Ende Januar 1974 war ich in Santa Cruz, südlich der Hauptstadt Manila, wo gerade eine wunderschöne Baptistenkirche gebaut worden war. Ich war noch nie in einer protestantischen Kirche gewesen und so trat ich eines Tages in das Gotteshaus ein, um mich umzusehen. Schon bald begrüsste mich ein freundlicher Christ und stellte mich dem Pastor, Ernesto Montalegre, vor.

Wir kamen in ein ausführliches Gespräch, wobei ich mein Bestes gab, um ihn zu einem guten Katholiken zu machen. Seinerseits beantwortete er in Ruhe alle meine Fragen. Natürlich gelang es mir nicht, ihn zum römisch-katholischen Glauben zu bekehren, aber er bekehrte mich auch nicht zum Protestantismus. Und doch, viele seiner Antworten trafen mich zutiefst und als ich zwei Stunden später nach Hause ging, hatten sich meine Zweifel vervielfacht. An diesem Tag begann eine Zeit des Leidens, eine Zeit schlafloser Nächte, geprägt von qualvoller Unentschlossenheit und einem erschreckenden Mangel an Mut, die Wahrheit der Schrift zu bekennen. Ich erkannte stufenweise, was die Wahrheit war, aber ich wusste nicht, was ich nun tun sollte, bis die Nacht vom 20. Februar 1974 kam…

Die Nacht der Gnade Gottes

In dieser Nacht war ich allein in meinem Zimmer und zum ersten Mal in meinem Leben stieg ein echtes Gebet aus meinem Herzen auf. Ich bat Christus, die Führung zu übernehmen, denn ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich fühlte mich durch und durch sündig.

Ich fand alles, als ich Christus fand

Du magst fragen: „Was hattest du denn für Sünden?“ Ich hatte in all den Jahren meines Priesterdienstes nie geraucht, starken Alkohol getrunken oder mein Gelübde der Keuschheit gebrochen. Ich hatte nirgends schlechte Spuren hinterlassen und war eigentlich ziemlich stolz auf meine Leistungen als Pfarreipriester. Meine Sünde war der Stolz. Es war der Stolz, der mich hinderte, mein Leben Christus zu unterstellen. Ständig überlegte ich: „Wenn ich Christus als meinen Erretter annehme, was werden meine Vorgesetzten sagen? Was wird der Bischof davon halten? Was werden meine Priesterkollegen denken, oder meine Schüler? Sie schätzen mich; wie kann ich sie verraten?“ Mir fehlte der Mut, diesen Menschen gegenüber ehrlich zu sein. Das Ansehen bei den Menschen war mir wichtiger als die Liebe zur Wahrheit. Aber in dieser Nacht, während ich betete, fiel mein Auge auf den Vers im Evangelium des Johannes (12,42-43): „Doch glaubten sogar von den Obersten viele an ihn, aber wegen der Pharisäer bekannten sie es nicht, damit sie nicht aus der Synagoge ausgestossen würden. Denn die Ehre der Menschen war ihnen lieber als die Ehre Gottes.“

Diese letzten Worte durchdrangen mein Herz wie ein zweischneidiges Schwert, aber gleichzeitig füllten sie mich mit Kraft und Mut. Ich war befreit. In dieser Nacht konnte ich ruhig durchschlafen; der Schmerz und die qualvolle Unentschlossenheit der vergangenen schrecklichen Wochen war weg. Am nächsten Morgen, als ich aufwachte, erinnerte ich mich an jenen freundlichen Baptistenprediger. Schnell zog ich mich an und fuhr zu seiner Kirche. Wir sprachen einige Zeit miteinander und ich nahm gerne einige Traktate und Schriften von ihm an. Als wir uns verabschiedeten, fragte ich: „Falls ich meine Kirche verlasse, kann ich dann bei Ihnen wohnen? Würden Sie mich aufnehmen?“ Er lächelte und sagte: „Wir haben hier ein freies Zimmer und die Gläubigen werden für Ihre Bedürfnisse aufkommen.“

Die Wahrheit gewinnt

Es dauerte noch fünf Tage, in denen ich betete und weiter in der Bibel las, dann gab ich Gottes Gnade nach. Am 26. Februar nahm ich Christus als meinen persönlichen Retter und Herrn an. Ich bat ihn, die Führung meines Lebens zu übernehmen, wenn ich nun alles hinter mir lassen würde: mein Auto, meine Bücher, meinen ganzen Besitz. Ich schickte dem Bischof meinen Kündigungsbrief und zog zu meinen neu gefundenen geistlichen Freunden in Santa Cruz.

Am 3. März bekannte ich meinen Glauben an das Evangelium öffentlich, indem ich im Santa Cruz Fluss, der hinter der Kirche durchfloss, getauft wurde. Eines möchte ich betonen: Seit dem Tag, als ich Christus erkannte, bis heute habe ich nie auch nur einen Moment den Wunsch gehabt, in mein vorheriges Leben zurückzukehren. Ich wurde buchstäblich mit Freude erfüllt und alle meine Zweifel waren verschwunden: Welch unbeschreibliche Freiheit!

Einige Tage später besuchte mich ein Priester und fragte mich: „Tony, wie kannst du in nur fünf Tagen solch eine Entscheidung treffen? Du hast die römisch-katholische Kirche verlassen und damit zwanzig Jahrhunderte Kultur, mit all ihren Päpsten, Heiligen, mit allem was du dein Leben lang gelernt und geliebt hast.“ Meine Antwort kam von Herzen: „Ich habe nicht den Eindruck, irgend etwas verloren zu haben; im Gegenteil, als ich Christus fand, gewann ich alles.“

Nicht mehr katholisch

Wenn du glaubst, dass du durch deinen Glauben an Christus errettet bist und wenn du Gottes Wort als höchste Autorität annimmst, dann bist du kein Katholik mehr, sondern ein ‚Protestant‘, ob du dieses Wort magst oder nicht. Die römisch-katholische Lehre ist auf der Errettung durch Werke und auf der Autorität der kirchlichen Tradition aufgebaut, der biblische Glaube dagegen ruht auf den Säulen der Errettung allein durch Glauben und der alleinigen Autorität der Heiligen Schrift.

Ich fand alles, als ich Christus fand Viele Katholiken haben eine emotionale Bindung an ihre Kirche, welche sie ‚Heilige Mutter Kirche‘ zu nennen gelernt haben. Diese Bezeichnung kommt daher, dass Katholiken meinen, dass sie ihr geistliches Leben der Kirche zu verdanken haben. Sie meinen, die Kirche habe sie durch die Taufe zu Christen gemacht und erhalte sie durch die anderen Sakramente geistlich am Leben. Die Bibel dagegen lehrt, dass nicht die Kirche uns zu etwas ‚macht’, sondern dass die Gläubigen die Kirche ‚ausmachen’. Es ist Christus, der uns aus reiner Gnade zu lebendigen Steinen seiner Kirche macht, und er ist der eine wahre Baumeister. Wir glauben allein an ihn und an sein Wort als absolute Autorität!


Nach seiner Bekehrung und einer Bibelschulausbildung am ‚Denver Seminary’ wirkte Antonio Pezzotta, unterstützt von seiner Gattin, während 25 Jahren in den Philippinen. Er evangelisierte, leitete Hausbibelkreise und unterrichtete am ‚Asian Theological Seminary’ in Quezón City, Metromanila. Seit seiner Pensionierung im Jahr 2001 lebt er in Amerika. Als ‚Direktor der Arbeit unter ethnischen Gruppen’ fördert er das Anliegen seines baptistischen Gemeindeverbands, dass auch unter den Einwanderern spanischer, philippinischer, chinesischer und koreanischer Sprache biblische Gemeinden entstehen. Zusammen mit anderen führt er auch das Missionswerk ,Mission to Catholics International’ des kürzlich verstorbenen ehemaligen Priesters Bart Brewer (siehe Band 1, Bericht Nr. 3) weiter.

Seine e-mail Adresse für italienische und englische Korrespondenz lautet: tony.pezzotta@cbasc.com

Similar Posts