Miguel Carvajal

Es war 4 Uhr morgens. Ich stopfte so viele Kleider und andere Habe wie möglich in einen Koffer. Der Entschluss war gefasst: ich verlasse das Kloster. Vorsichtig, ohne Licht zu machen, öffnete ich meine Zimmertüre. Wenn man mich bei meiner Flucht entdecken würde, müsste ich mit schlimmen Konsequenzen rechnen.

Ich steuerte die katholische Kirche einer kleinen Ortschaft an und da ich nicht wusste, wo ich sonst hingehen sollte, trat ich ein. Vor dem Hochaltar brannte das ‚ewige Licht‘. Ich schlich mich auf Zehenspitzen den Gang entlang und huschte durch eine Seitentüre in einen stillen Hof. Ich wusste nicht, wohin ich gehen sollte, und hoffte, hier in Ruhe den nächsten Schritt planen zu können. Die Kleider, die mich als Franziskanermönch kennzeichneten, hatte ich bereits abgelegt und Zivilkleidung angezogen.

Kalte, ungewisse Zukunft

Es war keine leichte Sache, diesen Schlussstrich zu ziehen. Schon bald würden Zweifel aufsteigen. Der Kampf war gross, aber ich wollte unter keinen Umständen in die Sklaverei der römisch-katholischen Kirche zurückkehren. Als ich aus dem Hinterhof auf den Dorfplatz trat, liess der eisige Wind, der von dem 6000 Meter hohen Vulkan Cayambe herabwehte, meinen Körper erstarren. Kälte und Angst vor der Zukunft überfielen mich.

Freiheit hatte ich nun, aber wohin sollte ich gehen? Ein letztes Mal schaute ich zum Kloster zurück auf das Fenster meiner Zelle, in welcher ich so viel gezweifelt, gekämpft, studiert und gebetet hatte, um Frieden für meine Seele zu finden. Die Klosterwände könnten bezeugen, wie verzweifelt ich war, wenn ich in meiner Verwirrung dachte, dass Gott meine Sünden vielleicht nicht vergeben würde. Ich hatte gemerkt, dass Aufopferung und Fasten nicht ausreichten, sondern dass man die Erfahrung einer neuen Geburt brauchte. „Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, so kann er das Reich Gottes nicht sehen!“ (Johannes 3,3)

Beim Überqueren des Dorfplatzes wurde mir bewusst, dass der Bischof und seine Priester hier wohnten und dass ich auf keinen Fall gesehen werden durfte. Meine Gedanken waren nun in die Zukunft gerichtet, und ich hastete die menschenleere Landstrasse entlang, über mehrere Hügel, auf und ab, mit meinem Koffer auf der Schulter, müde und ausser Atem. Ich ging in Richtung Quito, wo meine Mutter wohnte. Als ich die Glocken des Dorfes hörte, aus dem ich geflohen war, setzte ich mich erschöpft nieder und weinte. Beinahe wäre ich der Versuchung erlegen, zurückzukehren. Da ging die Sonne am ecuadorianischen Himmel auf.

Zehn Jahre hatte ich im Kloster verbracht. Ich dachte an die Studenten, Priester und Mönche und daran, wie ich mit ihnen alle Schwierigkeiten des Lebens – und das spärliche Essen – geteilt hatte. Ich kannte die böswilligen wie die gutherzigen Mönche, ich kannte ihre Gesprächsthemen, ihre Wünsche und Geheimnisse. Wie gerne hätte ich einige von ihnen als Begleiter gehabt, denn der Weg erschien mir so einsam. Aber sie würden unweigerlich den Zorn einer verärgerten Kirche auf sich ziehen, wenn sie das Kloster verliessen. Und sie müssten bereit sein, den Kampf ums Überleben auf sich zu nehmen und geistlichem Druck standzuhalten.

Die Enttäuschung der Familie

Wenn jemand die römisch-katholische Kirche verlassen möchte, muss er bereit sein, das Missfallen seiner Familie, Verwandtschaft und Freunde zu ertragen, von vielen Seiten kritisiert zu werden und die Unsicherheit eines Lebens ohne Arbeitsstelle auf sich zu nehmen. Berge von Schwierigkeiten und Frustrationen erheben sich vor dem jungen Gläubigen, aber wir haben eine Verheissung und die Bibel, die uns leitet:

„Und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen!“ (Johannes 8,32).

Ich zog es vor, die Kirche zu verlassen und unabhängig zu sein. Ich war die Heuchelei und ungeistliche Religiosität satt.

Schliesslich kam ich in eine kleine Stadt. Wie ein Gestrandeter, ohne Geld, stand ich am Bahnhof. Da ich als Priester bekannt war, nun aber in Zivilkleidung reiste, war es besser, wenn mich niemand sah. Es wäre den Leuten sehr peinlich gewesen, einem in ihren Augen so tief gefallenen Priester zu begegnen. Deshalb ging ich den Weg nach Quito, der Hauptstadt Ecuadors, zu Fuss. Nach etwa zwei Stunden kam ich im Haus meiner Mutter an.

Die Tränen meiner Mutter

Meine Mutter weinte, weil ich das Kloster verlassen hatte. Sie konnte nicht wissen, wie sehr ich mich danach sehnte, den Erretter zu finden. Hier stand ich vor einer weiteren Versuchung. Meiner Mutter zuliebe beschloss ich, in der römisch-katholischen Kirche zu bleiben, wenn ich auch nicht ins Kloster zurückkehrte.

Nach so vielen Jahren im Kloster fiel es mir schwer, mich wieder im Leben draussen zurechtzufinden. Die Gewohnheiten der normalen Menschen sind so verschieden von den Gewohnheiten der Priester. Ich fühlte mich wirklich elend und niedergeschlagen. So versuchte ich, Freude in den jugendlichen Lüsten der Welt zu finden, ich rauchte, trank, tanzte und hielt mich an zwielichtigen Orten auf. Ich empfand dies nicht als falsch, denn im Kloster hatte man über solche Dinge hinweggesehen.

Schliesslich arbeitete ich als Lehrer in einer römisch-katholischen Schule, aber nur für zwei Monate. Ich hatte den Wunsch, mich weiterzubilden, aber Gott kannte mein Herz und deshalb wurden meine Pläne vereitelt.

Ich hatte einen Freund, der bei der christlichen Radiostation HCJB arbeitete. In einem Brief schrieb er mir von der Errettung durch Christus. Doch ich spottete darüber und antwortete ihm, ein Priester wisse besser, was das Richtige für die Leute sei. Man hatte mich gelehrt, die protestantische Kirche sei schlecht.

Ein Priester, der mein Geschichtslehrer im Kloster gewesen war, liess mir ausrichten, dass man über meine Flucht hinwegsehen würde, wenn ich ins Kloster zurückkehrte.

Eine neue Schöpfung in Christus

Eines Tages begegnete ich einigen evangelikalen Christen. Mit einem von ihnen diskutierte ich etwa zwei Stunden lang über den Herrn und den Weg der Errettung. Diese Verse wurden im Lauf des Gesprächs zitiert: „Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richte, sondern damit die Welt durch ihn gerettet werde. Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, weil er nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes geglaubt hat“ (Johannes 3,16-18). Und „Diese [Zeichen] aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus, der Sohn Gottes ist, und damit ihr durch den Glauben Leben habt in seinem Namen“ (Johannes 20,31).

Dies war der Moment, in dem ich den Herrn Jesus Christus als meinen Retter annahm und eine neue Schöpfung wurde. Mein Leben wurde verändert und zum ersten Mal erlebte ich, was es heisst, errettet zu sein. Damals war ich 32 Jahre alt. Ich nahm nun wieder meinen richtigen Namen an: Miguel Carvajal. (Im Kloster hatte man mich Bruder Fernando genannt.) Ich war überaus glücklich.

Die Nachbarn begannen, meine Mutter zu verlachen und sagten, ich hätte den Verstand verloren. Sie wollten mich zwingen, in die römisch-katholische Kirche zurückzukehren. Sie wussten nicht, dass für mich alles neu geworden war.

Versuchungen

Ich erlebte weiterhin Versuchungen, zurückzukehren. Während die römisch-katholische Kirche im April 1960 die Passionsfeierlichkeiten beging, regte sich in mir mein altes Leben. Ich war verwirrt und beschloss, nach Guayaquil zu reisen, obwohl ich nur sehr wenig Geld hatte und dort niemanden kannte. In Guayaquil erkrankte ich an Malaria. In dieser Situation kam mir der Gedanke, wie der verlorene Sohn zu meiner Mutter und ins Kloster zurückzukehren. Aber Gott schickte mir einen seiner treuen Diener über den Weg, der mich zu sich nach Hause nahm und für mich sorgte.

Mein Wunsch für alle Leser

Als es mir wieder besser ging, nahm ich eine Arbeit an und begann, dem Herrn zu dienen. Ich besuchte auch eine Bibelschule. Heute bin ich froh, dass ich die Botschaft der Errettung predigen und in der BeröaGemeinde in Ecuador dienen darf.

Ich möchte mit dir die Worte des Herrn in Johannes 6,47 lesen: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, der hat ewiges Leben.“ Die Bedeutung dieser Aussage ist sehr klar. Und doch ist es sehr schwer, an Christus allein zu glauben, denn dazu müssen wir zuerst alle falschen menschlichen und religiösen Traditionen ablegen und unser Vertrauen einzig und allein auf Jesus setzen. Auf der Grundlage seines vollbrachten Opfers haben wir das ewige Leben.

Es ist sehr wichtig, dass ein Katholik sich mit dem Evangelium befasst, so wie es in 1.Korinther 15,3-4 erklärt wird: „Denn ich habe euch zu allererst das überliefert, was ich auch empfangen habe, nämlich dass Christus für unsere Sünden gestorben ist, nach den Schriften, und dass er begraben worden ist und dass er auferstanden ist am dritten Tag, nach den Schriften.“ Wenn du wirklich glaubst, dass Jesus Christus den Preis für die Errettung völlig bezahlt hat, und wenn du ihm im Glauben von ganzem Herzen Vertrauen schenkst, dann bist du frei von der Sünde und hast ewiges Leben.


Miguel Carvajal ist Pastor einer evangelikalen Gemeinde in Quito, Ecuador. In einer lokalen Bibelschule unterrichtet er das Fach „Eheberatung“. Er arbeitet bei „Stimme der Anden“ mit, den spanischen Radioprogrammen des HCJB in Quito. Er unternimmt Reisen zu Indianerdörfern und predigt dort das Evangelium.

Sein tiefer Wunsch, dass Katholiken die Wahrheit erkennen, wird auch in der spanischen Version des Videos „Der Katholizismus: ein Glaube in der Krise“ deutlich.

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